Am 09. September 2023 luden die Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen“, BUBO e. V. Streuobstwiese Haarzopf und der Bürgerverein Essen-Haarzopf/Fulerum zu einer Zukunftswerkstatt in die große Scheune des Beckmannshofs der Familie Scheidt ein.

Ziel

Ziel war es, interessierte Bürgerinnen und Bürger der beiden Stadtteile zu den großen Themen Klima und Gesundheit, Bauen und Stadtplanung sowie Mobilität zu informieren, miteinander zu diskutieren und am Ende Wünsche und Anregungen aus der Bevölkerung für das lokale Lebensumfeld festzuhalten.

Ablauf

Nach einer kurzen Einführung durch die Initiatoren und Moderatoren Steffen Daun und Dr. Jörn Benzinger, verfolgten über 80 Interessierte die Impulsvorträge der Referenten Dr. Tobias Kemper (LANUV), Architekt Ansgar Alm und Dr. Klaus Kordowski (Stiftung Mercator). Diese Kurzreferate über aktuelle Trends und Möglichkeiten, lieferten hervorragenden Gesprächsstoff für ausgedehnte Diskussionen, die letztendlich von den Teilnehmenden als Kernanregungen an Stellwänden schriftlich festgehalten und anschließend in gemütlicher Atmosphäre weiter besprochen wurden:

v.l.n.r.: Moderator Steffen Daun, Referent Dr. Tobias Kemper (LANUV), Referent Ansgar Alm (Architekt ), Referent Dr. Klaus Kordowski (Stiftung Mercator) und Moderator Dr. Jörn Benzinger.

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Einladende Institutionen

Thema: Mobilität

Mit Ratsbeschluss bekennt sich der Rat der Stadt Essen zum sog. Modal Split. Demnach sollen jeweils 25% der Wege von und zur Arbeit auf die Verkehrsträger Auto, Fahrrad, ÖPNV und Fußgänger paritätisch aufgeteilt sein. Dies stieß im Rahmen unseres Workshops auf einhellige Zustimmung. Gleichwohl lieferte die aktuelle Umsetzungsgeschwindigkeit der damit notwendigen Maßnahmen Anlass zu Kritik und Zweifel. Vorhandene Ideen und Zeitfenster wurden als nicht zielführend erachtet und grundsätzlich die überproportionale Verkehrsraumvergabe zugunsten des Autos bemängelt.

Um in Haarzopf und Fulerum eine schnellere Umsetzung zu erwirken, fand sich hier ein eindeutiges Meinungsbild aus den Workshops wieder. Folgende Maßnahmen wurden hier immer wieder genannt:

  • Vorrangiger Ausbau des Haupt- und Nebenroutennetzes für Fahrradfahrer insbesondere an folgenden Stellen:
    • Hatzper Str. / FR Bredeney und Mülheim mit verbundener Halteverbotsregelung zur Einrichtung einer Fahrradspur FR Bredeney (Verlust ca. 25 Autostellplätze)
    • Fahrradspurschaffung Humboldtstr. zwischen Kreisel und Rhein-Ruhr Zentrum
    • Fahrradfreundliche Querung zwischen Straße Am Ehrenfriedhof und Margarethenhöhe
    • Reparatur des Fahrradwegs Fulerumer Str. Höhe Heimatdank auf beiden Seiten
  • Wunsch nach Tempo 30 innerorts zum Schutz von Fußgängern und Fahrradfahrern
  • Für den Wunsch nach erhöhter Intermobilität wurde die Errichtung einer Mobilitätsstation/Carsharing im Bereich Nebenfahrbahn Humboldtstr./Bäcker Peter genannt
  • Darüber hinaus die Errichtung eines multimodelen Knotenpunktes an der Neuen Mitte
  • Erhöhung der Taktung für die Linien Bus 145, 194 und U18 sowie Ausbau der Linie U17 bis Büropark Bredeney/Polizei und evtl. Verlängerung bis Erbach

Thema: Klima und Gesundheit

Das Thema Klima und Gesundheit beschäftigt die Menschen in Haarzopf und Fulerum stark. Auch wenn sie in einem (noch) eher grünen Stadtteil leben, erwarten sie von Politik und Verwaltung konkretes, sichtbares Handeln, um dem Klimawandel zu begegnen und ihre Lebensbedingungen und ihre Gesundheit zu schützen.

Die dazu bisher sichtbaren Handlungen sehen die Bürgerinnen und Bürger eher unzureichend an. Sie erwarten von Politik und Verwaltung verantwortliche und verbindliche Umsetzung und nicht „man sollte, man könnte …“.
Folgende Punkte wurden im Workshop zum Thema „Klima und Gesundheit“ als wichtige Handlungsfelder benannt:

  • Entsiegelung von Flächen z. B. Parkplätze „Neue Mitte“
  • Landschaftsschutzgebiete vor Bebauung/ Versiegelung schützen und durch Umwandlung in Naturschutzgebiete bewahren
  • Vorhandene Kaltluftgebiete in der Stadtplanung auch aus Gründen der Gesundheitsvorsorge berücksichtigen und im Planungsrecht als geschützte Flächen festschreiben
  • Planungsrechtlicher Schutz zum Erhalt der Freiluftflächen (Grün-, Freiland- und Waldflächen) an den Stadtgrenzen zwischen den Städten Essen/Mülheim
  • Bau von Wasserspeichern als Verdunstungsreservoir zur Kühlung in baulich stark verdichteten Bereichen (z. B. im begrünten Mittelstreifen Hatzper Str./Fulerumer Str.)
  • Intensivierte Neupflanzung von Bäumen zum Klimaschutz
  • Flughafenflächen als wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet erhalten
    • Aufforstung der Flughafenflächen als klimaschützende Zukunftsvision
    • Gesundheitsschutz durch Lärmreduzierung des Flughafens
  • Förderung von Gründächern zur Niederschlagswasserrückhaltung und Verdunstung
  • Angebot von gesundheitlichen Schulungen zum Umgang mit zunehmender Hitze, insbesondere für ältere oder kranke Menschen
  • Angebot von öffentlichen Trinkbrunnen

Die Ergebnisse des Workshops zeigen, dass die Menschen aus Haarzopf und Fulerum konkrete, umsetzbare Maßnahmen für ihre Gesundheit von der Verwaltung und Politik erwarten.

Die Wirkungen von Frischluft, Grünflächen aber auch vom Klimawandel auf die Gesundheit sind längst wissenschaftlich erwiesen. Beispielsweise haben bereits in 2017 Forscher*innen eines Max-Planck-Instituts den Zusammenhang zwischen wohnortnaher Natur auf die Hirngesundheit von Großstädtern nachgewiesen ¹).

¹) Kühn, S., Düzel, S., Eibich, P. et al. In search of features that constitute an “enriched environment” in humans: Associations between geographical properties and brain structure. Sci Rep 7, 11920 (2017)

Das Ergebnis zeigt, dass Menschen die in Gebieten mit wohnortnaher Natur leben. weniger unter Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie leiden. Ebenso leben Menschen, die sich regelmäßig in der Natur aufhalten und bewegen länger und gesünder. Da die Aufenthalte in der Natur den Stress reduzieren, treten nach aktueller medizinischer Forschung weniger krankheitsverursachende Spontanmutation bei der Zellteilung auf.

Auch sind die nachgewiesenen vorhandenen Kaltluftschneisen in Haarzopf/Fulerum wesentlich für die Abkühlung von dichter bebauten Innenstadtquartieren und haben eine wichtige Aufgabe der erhöhten Sterblichkeit bei Temperaturanstieg entgegenzuwirken.

Vor diesem Hintergrund ist es für die Einwohner*innen unverständlich, dass das sogenannte „integrierte Klimafolgenanpassungskonzept“ der Stadt Essen die zur Naherholung von vielen Menschen genutzten Grün-, Freiland- und Waldflächen des Essener Südens nicht unter Schutz stellt, sondern als „allgemeine Siedlungsfläche“ klassifiziert. Damit wird eine zukünftige Versiegelung oder ggfs. Bebauung dieser Grünflächen möglich. Der gezielte Schutz der bestehenden Grün-, Freiland- und Waldflächen mit großflächigen Kalt- und Frischluftproduktionsflächen erscheint der Stadt Essen nicht wichtig. Welche Interessen mit dieser Haltung bedient werden, ist unklar.

Die Haarzopfer*innen und Fulerumer*innen sehen das Vorgehen der Stadt als Ärgernis, da ihre berechtigten Interessen für lebenswerte Stadteile nicht oder nur unzureichend Beachtung finden.

Thema: Stadtplanung und Bauen

Massiv kritisiert wurde ein fehlender strukturierter Strategieplan für die Stadt Essen und die Stadtteile Haarzopf und Fulerum.

Ein entsprechendes Grünbuch der zukünftigen Planung für die Bereiche Wohnen, Bildung, Gesundheit und Grünflächen usw. würde kurzfristige und legislaturabhängige Trendplanung verhindern. Beispielweise wurde über Jahre das fragliche Argument der wachsenden Stadt Essen als Begründung für investorengesteuerte Baupolitik angeführt.

Die Erstellung eines entsprechenden Strategieplans sollte zwischen der Stadt und den Shareholdern eines Stadtteils (Vereine, Initiativen, etc.) diskutiert und entwickelt werden.

Ein Vorschlag wäre ein Baulückenkataster, welches ggf. die Bebauung auf der grünen Wiese obsolet machen würde.

Für den Bereich Haarzopf/Fulerum wurden konkrete Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Klimaresisiliente Gestaltung inkl. Dachgrün, Retensionsflächen, und PV-Anlagen auf öffentlichen und privaten Dächern
  • Nachhaltige (Holzbauweise) und generationenübergreifende Wohnprojekte
  • Schaffung von gemeinschaftlichen Orten, wie z. B. Heimat- und Stadtteilcafe, Fachgeschäft für Stadtwandel, Eisdiele, Kneipe, Feierabendmarkt und grüne Gemeinschaftsflächen (Obst/Gemüseanbau)

„Für den Erfolg der Klimaanpassung ist es wichtig, dass die zuständigen und betroffenen Akteure proaktiv und kooperativ handeln!“

Dr. Tobias Kemper, LANUV

Ausblick

Die hier vorliegende Zusammenfassung soll nun u.a. der Bezirksvertretung III in einer ihrer Sitzungen präsentiert und darüber hinaus den Fraktionen im Rat der Stadt zur Information vorgelegt werden. Auch soll der Kontakt zur städtischen und regionalen Verwaltung gesucht werden.
Um die Möglichkeit zur Umsetzung der Anregungen zu erhöhen, bieten die beteiligten Vereine explizit ihre Mithilfe an und laden Vertreter*innen der o.g. Institutionen zu einer gemeinsamen Erstellung eines Aktionsplans ein.

Schwerpunkte

  • Mobilität: Modal Split – Ausbau Hauptroutennetz Fahrrad, Carsharing & Taktung ÖPNV
  • Klima und Gesundheit: Planungsrechtlicher Schutz zum Erhalt der Frischluftflächen, Entsiegelung von Parkplätzen
  • Bauen und Stadtplanung: Mehrgenerationenhaus mit Bürgertreff, Dachgrün und Photovoltaik im Bestand ausbauen

Verortung von konkreten Vorschlägen auf der Stadtteilkarte